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Newsletter: Mit Kindern über den Krieg sprechen

Nikolai Popov: Warum? Minedition Dieses eindrückliche Bilderbuch ist bereits 1995 erstmals erschienen und heute aktueller denn je. Nikolai Popov, 1936 in Russland geboren, hat selbst Krieg, Zerstörung, Bombardements durch die Nazis und das ständige Heulen von Sirenen erlebt. Er erzählt in dem Buch auch seine eigene Geschichte und stellt die wohl alles entscheidende Frage, die auch uns alle in diesen Tagen umtreibt: WARUM? Der Anfang ist ganz harmlos: Frosch und Maus sitzen auf einer grünen Frühlingswiese, die Stimmung ist friedlich und harmonisch, es herrscht Idylle pur. Das ändert sich jedoch, als die Maus ausgerechnet die Blume haben will, die der Frosch hat. Als dieser sie nicht rausrückt, greift die Maus ihn unvermittelt an, reisst die Blume mit Gewalt an sich. Das lässt der Frosch wiederum nicht auf sich sitzen und holt sich Verstärkung von grösseren Fröschen, welche nun ihrerseits die Maus angreifen. So beginnt sich die Spirale der Gewalt zu drehen, die Situation eskaliert zusehends, ein Rollschuh wird zum Panzer, die eben noch so friedliche Frühlingswiese wird unvermittelt zum Schlachtfeld. Bis zum Schluss des Buches wissen alle Beteiligten längst nicht mehr, warum sie überhaupt kämpfen, doch eines ist für alle klar: Aufgeben gibt es nicht, einen Schritt zurückmachen will auch keiner und nach Lösungen wird vergeblich gesucht. Nikolai Popov braucht keinen Text für sein Buch, die Geschichte und die Botschaft dahinter wird alleine anhand der eindrücklichen Bilder klar: öfter einmal nach dem 'Warum' fragen, einen Schritt zurück gehen, nach Lösungen suchen und miteinander sprechen. Ein Buch für Kinder und Erwachsene, welches zu Diskussionen, Gesprächen und zum Nachdenken anregt.

Giancarlo Macri/Carolina Zanotta: Die Mauer. 360 Grad.

Auch dieses Bilerbuch passt auf beinahe erschreckende Weise zur aktuellen Situation: Es erzählt die Geschichte eines Königs, der beim Heruntersteigen von seinem Thron bemerkt, dass sich in seinem Königreich vieles geändert hat- zum Schlechten! Wo einst der ganze Staat von den Blauen besiedelt war, haben sich plötzliche andere Farben eingeschlichen- das Königreich ist bunt geworden. Weil das dem König so gar nicht passt und er- ehrlich gesagt- auch ein wenig Angst vor zu viel bunt hat, beschliesst er sein blaues Volk von den 'Fremden' zu trennen. Kurzerhand vertreibt er die Bunten aus seinem Reich und möchte eine Mauer errichten, damit sie nie mehr zurückkehren können. Dumm nur, dass er zum Bau der Mauer ausgerechnet die Roten braucht..... Eine Parabel über Grenzen, Mauern und Barrieren und eine Ode an die Vielfalt!

Francesca Sanna: Die Flucht. NordSüd

Aus der Sicht eines Kindes schildert Francesca Sanna die beschwerliche und gefährliche Flucht aus einem Kriegsgebiet. Es wird erzählt, wie zuerst der Krieg ins Land kommt und das Leben dunkler macht. Dann nimmt er der Familie den Vater weg, übrig bleiben nur noch wenige Gegenstände und die Erinnerungen an ihn. Eine Zukunft gibt es für die Mutter und die Kinder nicht, das Einzige, was bleibt, ist die Flucht 'in ein Land mit hohen Bergen'. So packen sie die wichtigsten Sachen, verabschieden sich von Freunden und von ihrer alten Heimat und brechen auf in eine ungewisse Zukunft. Die Reise ist lange und gefährlich, an der Grenze werden sie von einer Wache aufgehalten und müssen sich verstecken. Als sie es schliesslich doch schaffen, die erste Grenze zu überwinden, wartet das Meer auf sie. Ob sie es auf die andere Seite schaffen? Sannas Buch ist nach Gesprächen mit Flüchtlingsfamilien entstanden, beruht also nicht auf einer, sondern auf vielen wahren Geschichten. Die Autorin spielt in den Bildern gekonnt mit den Farben, um der Stimmung und den Gefühlen der Kinder zu noch mehr Ausdruck zu verhelfen.

Andrea Karime: King kommt noch. Peter Hammer.

Auch Andrea Karimés Buch ist nicht die Geschichte eines einzelnen Jungen- der übrigens im Buch namenlos bleibt- sondern versammelt die Erfahrungen und Erlebnisse vieler Flüchtlingskinder. Der Ort, die Zeit und die Figuren bleiben deshalb alle namenlos. Auch hier ist es ein Kind, ein Junge, welcher seine Erlebnisse und Erfahrungen in der neuen Heimat schildert. Seine erste Feststellung: er kann nicht mehr lesen! Die Buchstaben und Wörter geben plötzlich keinen Sinn mehr, verweben sich nicht mehr zu Geschichten. Auch sonst ist alles fremd in diesem Land, er versteht niemanden, muss sich an alles erst gewöhnen, fühlt sich verloren. Auch seine Eltern können ihm nicht helfen, haben keine Antworten auf seine Fragen, sind mit ihren Gedanken noch immer in der alten Heimat. Seine ganze Hoffnung ruht nun auf King, seinen Hund. Ihn musste der Junge auf der Flucht zurücklassen, ist jedoch sicher, dass dieser den Weg in die neue Heimat findet. Um ihn den richtigen Weg zu zeigen, spricht der Junge in Gedanken mit dem Hund, schildert ihm die sicherste Reiseroute, warnt vor Gefahren und schildert ihm, was er mit seiner Familie alles erlebt und durchgestanden hat.

Paul Maar: Neben mir ist noch Platz. Dtv junior.

Seit ein paar Wochen geht eine Neue in Steffis Klasse: Aischa. Sie wird zwar nicht gemobbt, aber auch von niemandem beachtet. Wie soll man sich auch mit einer anfreunden, die nicht einmal richtig Deutsch kann? Doch dann ist es ausgerechnet Aischa, welche Steffi aus der Umkleide in der Turnhalle befreit. Die beiden Mädchen freunden sich an, Steffi lernt Aischas Familie kennen und besucht sie in dem alten Gasthaus, welches als Flüchtlingsunterkunft dient. Auch wenn die beiden Mädchen beide ein ganz anderes Leben führen und vieles fremd bleibt, werden sie mit der Zeit beste Freundinnen und sind unzertrennlich. Doch ein blöder Streit stellt die Freundschaft auf eine harte Probe; erst als der Platz neben Steff plötzlich leer bleibt, merkt sie, wie wichtig ihr Aischa ist.... Paul Maars Buch erschien in einer ersten Fassung bereits 1998, damals mit einem anderen Ende: das Flüchtlingsheim, in dem Aischas Familie lebt, wird dort angezündet und die Familie beschliesst, Deutschland aufgrund der Anfeindungen zu verlassen. Auf dieses Ende gab es so heftige Reaktionen, dass Paul Maar eine Neufassung geschrieben hat, mit anderem Ausgang.

Onjali Q. Rauf: Der Junge in der letzten Reihe. Atrium.

Auch diese Geschichte wird aus der Sicht eines Kindes geschildert. Hier ist es aber nicht das Flüchtlingskind selbst, welches erzählt, sondern Alexa. Alexa lebt in England, wo sie auch zu Schule geht, und da taucht eines Tages plötzlich ein neuer Junge in der Klasse auf, Ahmed. Und dieser Ahmed benimmt sich ziemlich rätselhaft: er spricht nicht und in den Pausen trifft er sich immer mit einer Frau, die Alexa nicht kennt. Gerade weil es so schwierig ist, an Ahmed heranzukommen, nimmt sich Alexa vor, sich mit dem Jungen anzufreunden und seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Schritt für Schritt entsteht so etwas wie eine Freundschaft zwischen den beiden und irgendwann ist Ahmed dann auch bereit, mehr von sich zu erzählen: er schildert mit eindrücklichen Zeichnungen und dem Englisch, das er schon gelernt hat, wie er mit seiner Familie seine Heimat verlassen und flüchten musste. Die Reise war lange und beschwerlich, irgendwann musste er alleine weiterreisen, ohne seine Eltern. Und nun drohen die Grenzen geschlossen zu werden, damit nicht noch mehr Flüchtlinge ins Land gelangen. Das möchten Alexa und ihre Freunde unbedingt verhindern und wenden sich dafür an die höchste Stelle im Land: die Queen persönlich! Onjali Rauf ist ein eindrückliches Buch über Flucht, Freundschaft und Zusammenhalt gelungen. Durch die Schilderungen aus Kindersicht wird die Geschichte greifbar, ohne dass etwas verharmlost wird. Dass Alexa und ihre Freunde sich an die Queen wenden, um von ihr Hilfe zu bekommen, ist natürlich sehr fantastisch. Aber der Gedanke und die Idee sind nachvollziehbar, denn sie stammen von Kindern und nicht von Jugendlichen oder Erwachsenen, welche wissen, dass Lösungen leider nicht immer so einfach zu haben sind.

Alan Gratz: Vor uns das Meer. Dtv.

Alan Gratz verbindet in seinem Jugendbuch drei Fluchtgeschichten aus drei verschiedenen Generationen. Josefs Familie verlässt 1938 Deutschland nach den Progromen, Isabel flieht 1994 vor dem Hunger aus Kuba und Mahmoud flieht 2015 aus dem zerstörten Aleppo. Abwechslungsweise schildern die Jugendlichen die Flucht aus ihrer Perspektive und geben den LeserInnen einen Einblick in ihre Gedanken, Ängste und Hoffnungen. Und auch wenn die Geschichten verschieden sind, in unterschiedlichen Teilen der Welt spielen und zu unterschiedlichen Zeiten, so bleibt doch eines gleich: alle drei müssen ihr altes Leben aufgeben, Familien und Freunde verlassen, in eine unsichere Zukunft reisen. Und allen ist bewusst, dass ihre Kindheit und Jugend hier ein jähes Ende findet.

Janne Teller: Krieg- stell dir vor, er wäre hier. Hanser

Janne Teller widmet sich in ihren Jugendbüchern immer wieder schwierigen, hochaktuellen Themen. ‚Krieg- stell dir vor, er wäre hier‘ ist zwar schon 2015 erschienen, leider jedoch nach wie vor und erneut aktuell. Sie kehrt in dem Buch für einmal den Spiess um: die demokratische Politik ist gescheitert, faschistische Diktaturen haben die Macht übernommen. Wer kann, flieht in den Nahen Osten. So auch der 14-jährige Protagonist, ein Deutscher, der darauf wartet, dass sein Vater, der das Land schon verlassen hat, die Familie nachholt. Doch der Plan scheitert und die Zurückgebliebenen müssen sich alleine auf den Weg machen. Nach einer langen und beschwerlichen Flucht gelangen sie schliesslich in Ägypten, wo sie in einem Flüchtlingslager unterkommen. Vorerst sind sie also in Sicherheit, doch jetzt beginnt das harte Leben als Flüchtling: langes Warten auf Asylentscheide, Langeweile, keine Chance auf Schulbildung, ausgeschlossen sein, Hoffnungslosigkeit, Angst. Zwischendurch keimt etwas Hoffnung auf, dass man irgendwann wieder ein Zuhause findet. Doch wo soll dieses Zuhause sein? Kann man sich in einem fremden Land überhaupt zuhause fühlen? Janne Teller wagt mit diesem Buch ein verblüffend einfaches, aber sehr wirkungsvolles Gedankenexperiment. Die Geschichte überzeugt, regt zum Nachdenken an und klingt noch lange nach….

Alea Horst: Manchmal male ich ein Haus für uns. Europas vergessene Kinder. Klett.

Die Fotografin Alea Horst hat achtmal das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos besucht und dort Kinder portraitiert. In Interviews hat sie mit ihnen über Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste gesprochen und auch nach ihren Wünschen gefragt. An oberster Stelle steht dabei der Wunsch nach einem Zuhause, nach Schulunterricht und der Wunsch danach, die Eltern mögen nicht mehr so traurig sein. ‚Man spürt ihre Sehnsucht nach Ruhe und Frieden‘, so die Autorin. Zwar habe sich die Situation nach dem Brand 2020 verbessert, es wurden Wohncontainer aufgestellt und Duschen installiert. Doch dann kam Corona und die Flüchtlinge gerieten erneut in Vergessenheit. Alea Horst hat ihnen nun ein Gesicht gegeben und aus ihren Fotos und Interviews ein beeindruckendes Buch und wichtiges Buch gemacht.

Veröffentlicht am 24.03.2022

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